Sehr geehrter Bürgermeister Mies,
oftmals werden einem offene Worte, ein fester Standpunkt, eine Überzeugung und ein klarer Blick auf die Dinge als Versuch ausgelegt, etwas klein zu machen, etwas zu verunglimpfen oder gar Schaden am eigenen Heimatort zu begehen. Dies ist sicher auch bei allen Äußerungen in Sachen Nordische Ski-WM 2021 so. Hier vor allem bei der Frage, mit welch massiven Bauten der Bereich um das Schattenbergstadion und das Ried zubetoniert werden soll?
Wir scheuen uns aber trotz alledem nicht davor, unsere Meinung offen darzulegen. Wir wollen auch öffentlich dokumentieren, welchen Vorhaben und Entwicklungen wir positiv und welchen wir negativ gegenüberstehen, damit ein transparenter und offener Dialog mit unseren Bürgerinnen und Bürgern möglich ist.
Wir freuen uns für alle Sportler, die im Februar 2021 in Oberstdorf ihre Wettkampfheimat zu den WM-Entscheidungen finden werden. Wir freuen uns auf ein friedliches und organisatorisch hervorragend vorbereitetes Sportereignis von Weltrang.
Wir verschließen allerdings nicht die Augen, wenn uns verschiedene Interessengruppen ein völlig überdimensioniertes Bauprogramm als „bauliche Voraussetzung“ für diesen Sport-Event unterbreiten.
Und hiermit beginnt das offene Wort:
Von uns wird es keine Zustimmung für ein groß angelegtes Langlaufstadion im Ried geben! Den immer noch vorgesehenen ca. 4.600 qm Gebäudeflächen und zusätzlich 25.000 qm befestigten Flächen werden wir unsere Zustimmung verweigern. Sie, Herr Bürgermeister, sagten in der diesjährigen Bürgerversammlung im Großen Kursaal wörtlich: “… ein Stadion im Ried ist vorerst gestrichen …“
Wir möchten von Ihnen wissen: Was heißt „vorerst“? Bedeutet „vorerst gestrichen“ eine Absage an die Baumaßnahme für die nächsten Tage, Wochen oder Monate? Oder auf welchem Wege möchten Sie gegebenenfalls aus dem „vorerst“ ein „dann doch“ machen?
Wir lehnen auch jegliche Kosmetik der Begriffe für Baumaßnahmen ab; denn egal, ob man es nun „Langlauf-Zentrum“ oder „Langlauf-Haus“ nennen mag, für uns kommen beispielsweise große Dusch-, WC-Räume, aber auch Wachsräume so oder so nicht in Frage.
Auch den dauerhaft installierten Kommentatoren-Kabinen und -Tribünen – mit oder ohne Dach – werden wir nicht zustimmen! Ebenso werden wir die immer noch geplanten, ganzjährig vorhandenen Banden nicht befürworten. Diese Baumaßnahmen erachten wir nicht als Mittel der Wahl, um das Ried in seinem natürlichen Zustand für unsere Gäste vorzeigbar zu machen und für unsere Nachkommen zu erhalten.
Ihrer Aussage zufolge war die Nennung von 49,5 Millionen Euro an eventuellen Investitionswünschen ein unglücklicher Unfall, weil auch hier – Sie wieder zitierend – “… niemand 50 Millionen verbauen will, auch keine 40 ...“ Wenn aber die vorgestellten Pläne tatsächlich das Maß des Nötigen sind, was dem Gemeinderat zum wiederholten Male fast gebetsmühlenartig suggeriert wurde, dann werden wir uns wohl auf die genannte Summe einstellen müssen.
Ganz abgesehen spielt es auch keine Rolle, ob etwas einen Euro oder 50 Millionen Euro kostet, wenn es die falsche Baumaßnahme ist, dann ist jeder einzelne Euro hinausgeworfenes Geld.
Wenn wir also Ihre Aussage über ein „... noch kommendes massives Zusammenstreichen der Investitionspläne ...“ ernst nehmen sollen, dann ist es gänzlich unverständlich, warum Sie dem Gemeinderat zu einem Beschluss gedrängt haben, Planungen in Auftrag zu geben für Baumaßnahmen, die man später gar nicht bauen will oder in der Lage sein wird, sie zu finanzieren? So hat es im Übrigen auch die anwesende Presse wahrgenommen.
Für den Winterbetrieb sind die gewünschten Gebäudekomplexe gänzlich überzogen. Was aber noch schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass niemand bei der Gemeinde auch nur annähernd eine tatsächlich nachhaltige und realisierbare touristische Verwendungsidee für die Gebäude im Sommerhalbjahr hat.
In der argumentativen Not treten dann von Tourismus Oberstdorf formulierte glorreiche Ideen wie „ein Wohnmobilabstellplatz“ oder ein „Fahrradverleih“ im Ried zu Tage. Die Sportstätten Oberstdorf werden nie mit vertretbarem Aufwand in der Lage sein, solch große Gebäudekomplexe zu bewirtschaften, sauber zu halten und zu unterhalten.
Deshalb ist auch ihre Aussage auf der Bürgerversammlung, „… man hat 2005 im Langlauf zu wenig gebaut …“, grob falsch – weil nicht zutreffend – gewesen. Ebenfalls gab es keinen von Ihnen formulierten „… langjährigen Investitionsstau im Ried ...“. Es gab viel eher einen Mangel an Einsicht und Kreativität, das Vorhandene anständig zu nutzen und die Brachfläche im Ried ansehnlich zu gestalten.
Auch im Bereich des Schattenbergstadions gibt es Bestandteile des Bauprogramms, die unter keinen Umständen unsere Zustimmung erhalten. Das Schließen der Gebäudelücke zwischen dem Funktionsgebäude und dem Tribünenrund hat man in den Jahren 2003/04 ganz bewusst unterlassen. Auch damals bestand schon der Wunsch aus Sportkreisen, eine „Faltenbach-Klagemauer“ zu errichten. Aber genau das wollte der Gemeinderat damals bewusst nicht. Man wollte den freien Blick auf die Schanzen erhalten, wenn unsere Gäste über die Straße „Am Faltenbach“ in Richtung „Breitenberg“ oder „Kühberg“ laufen, und wir wollen das auch weiterhin so!
Als Fazit möchten wir formulieren:
Wir brauchen keine großen Gebäude im Ried, wir brauchen eine Neuordnung des Vorhandenen, dies bedeutet eine Ertüchtigung der Sportstätten im Ried und unter dem Schattenberg mit Augenmaß. Wir benötigen eine leistungsfähige und energieeffiziente Beschneiung eines Loipenbereichs und eine Anbindung des Langlaufareals Ried/Zimmeroy durch einen Langlaufbus zu der Zeit, wo aufgrund klimatischer Gegebenheiten keine Loipenverbindung zum Ort erstellbar sein wird.
Und was die Veranstaltung NWM 2021 angeht, so hat diese überwiegend mit temporären Einrichtungen zurechtzukommen, und damit ist es gut!
Was der Ort aber benötigt hätte, dass findet in ihrer Argumentationskette, Herr Bürgermeister, gar nicht statt. Tatsächlich nachhaltig wäre es gewesen, im Windschatten der Nordischen Ski-WM 2021 die Politik in München und Berlin zu veranlassen, in Zukunftsprojekte in Oberstdorf zu investieren:
- Schadstofffreies ÖPNV-System im Bereich Oberstdorf, seiner Ortsteile und Täler sowie dem Kleinwalsertal.
- Lösung der verkehrlichen Erschließungsprobleme im Osten wie im Westen unseres Ortes; der gerade baulich entstehende Verkehrstorso an der „Stillachbrücke“ und das Nadelöhr „Hermann-von-Barth-Straße“ sind hier stellvertretend genannt.
- Regionale Vermarktungsidee für landwirtschaftliche Erzeugnisse – speziell auch für Veranstaltungen.
- Das touristische Positionieren des Dreiklangs Erholung – Sport – Gesundheit.
- Verbesserung der Sicherheitsinfrastruktur – speziell hier den zukunftsfähigen Ausbau von Feuerwehr und Rettungsdienst im Gemeindegebiet sowie eine langfristige Sicherung der medizinischen Grundversorgung am Klinikstandort Oberstdorf.
- Und vieles mehr.
Im Februar 2021 sind Sie eventuell nicht mehr Bürgermeister. Auch andere heute amtierende Funktionsträger in Politik und Verbänden werden zur NWM 2021 möglicherweise nicht mehr ihren Dienst tun. Wir aber sind immer noch hier, weil Oberstdorf unsere Heimat ist. Wir und unsere Kinder hätten dann die Lasten zu tragen, die heute in großspuriger Gönnerhaftigkeit auf uns ausgegossen werden.
Dies jedoch nicht mit unserer Stimme!
Oberstdorf, 7. August 2017
Marktgemeinderäte
Martin Rees und Josef Dornach
Presse-Echo